Für die private Fahrt zu Freunden und Familie oder für die Fahrt in den Urlaub sind Nachtzüge eine klasse Sache. Abends in den Zug steigen, es sich bequem machen und hoffentlich ein bisschen die Augen zu machen. Dafür kann man dann morgen ein Frühstück in Hamburg, Amsterdam oder einen guten Cappuccino in Rom genießen. Soweit so schön; aber lohnen sich Nachtzüge auch für Fahrten zu Terminen wo man morgens wirklich fit sein möchte (z.B für berufliche Termine)? Die ÖBB bietet hierfür neben den Sitz- und Liegewagen auch Schlafwagen an. Diese gibt es sogar in einer Deluxe Ausführung inkl. WC und Dusche im Abteil. Das Werbematerial auf der ÖBB Webseite verspricht dabei im Schlaf entspannt am Ziel anzukommen. Das wollte ich einmal auf der Strecke München – Hamburg ausprobieren.
Der Nightjet verlässt München um kurz vor 11 am Abend und erreicht Hamburg gegen 08:45 Uhr; ausreichend Zeit also zum Schlafen. Gebucht hatte ich ein Single Deluxe Schlafwagen. Der Zug kam auch halbwegs pünktlich in München an, die Wagenreihung war zwar etwas chaotisch aber der passende Wagen war schnell gefunden. Im Abteil war bereits das Bett fertig vorbereitet und kurz nach der Abfahrt kam das Personal vorbei um alles wichtige zu erklären, das Tickets einzusammeln und die Bestellung des Frühstücks aufzunehmen.
Aufbau der Abteile
Danach war es Zeit sich einmal etwas umzuschauen. Wobei es nicht viel umzuschauen gab. Die Abteile sind wirklich kleine Platzwunder. Links das Bett (bzw. die Betten, da noch 2 weitere ausgeklappt werden könnten), rechts hinter einer Tür die separate Dusche und WC und hinter dem „Badezimmer“ ist noch etwas Platz um Gepäck abzustellen. Ansonsten ist ausreichend Platz oberhalb des Bads sowie über dem Gang um größere Gepäckstücke unterzubringen (ein verpacktes Fahrrad würde da problemlos reinpassen ;)).
Obwohl ich nicht sonderlich viel Volumen einnehme, muss ich sagen, dass der Platz im Abteil eng bemessen ist. Mit einer zweiten Person im Abteil müsste man sich schon gut arangieren um sich nicht auf die Füße zu treten, gerade wenn man sich z.B. umziehen möchte da im Bad hierfür kaum genug Platz ist – das ist auch vollkommen okay, da es sich eben um ein Zug handelt ;). Besonders positiv hervozuheben, es war alles (soweit es das Auge sieht) sehr sauber.
Entspannt Schlafen? – Eher nicht!
Nach dem Rundgang, ab ins Bett, Leselicht an und noch ein bisschen lesen. Nach dem ersten Probeliegen wird schnell klar; das wird eine harte Nacht. Die Bezeichnung „Bett“ ist für das gebotene eine hoffnungsvolle Übertreibung. Man bekommt hier eine harte, einige Zentimeter Dicke Schlafunterlage. Meine Isomatte im Zelt ist deutlich bequemer. Der Begriff „Pritsche“ ist hier fast eher angebracht.
Die ÖBB bietet im Willkommenspaket direkt Ohrstöpsel und sie werden wohl auch wissen warum. Die Lautstärke im Wagen ist durch die Außengeräusche sehr hoch. Wenn immer ein entgegenkommender Zug vorbei kommt schreckt man kurz hoch. Zudem ist die Fahrruhe des Wagenmaterials wirklich unterirdisch. Es ruckelt und holpert die gesamte Nacht. Zudem hatte die Tür des Bads offenbar ein Defekt, so dass sie Nachts immer wieder aufsprang. Auch wenn letzteres natürlich nicht die Regel ist, muss ich sagen, dass ein Schlafkomfort in dem Schlafwagen leider nicht im geringsten gegeben ist.
Sicherlich ist die Definitin von Schlafkomfort sehr individuell. Ich bin aber auch in der Vergangenheit schon viel mit Nachtzügen unterwegs gewesen. Ohne Frage, ein voll besetzter Sitzwagen bietet dabei überhaupt keinen Schlafkomfort. Auf Fahrten mit den Deluxe Liegewagen von Trenitalia oder den privaten Abteilen im Sitzwagen im Nightjet habe ich aber schon mindestens genauso gut, wenn nicht besser, geschlafen.
Zeit fürs Frühstück
Morgens kommt dann, wie am Vorabend vereinbart, das Frühstück. Auf Wunsch wird dabei das Abteil ruckzuck in ein Sitzabteil mit drei bequemen Plätzen und einem großen Tisch umgebaut. Das Frühstück selbst fällt dabei auch relativ reichhaltig aus und reicht zumindest für einen guten Start in den Tag. Guten Kaffee bekommt man dann ja am Zielbahnhof 😉
Das hohe Maß an Privatsphäre und die vermeitnliche Ruhe im Schlaf hat jedoch ihren Preis. In der Sparschiene kostet das Ticket München – Hamburg 229 €. Der voll flexible Preis liegt bei 272 €. Diese Preise mögen sicherlich in ihrer Kalkulation realistisch sein, für den nicht vorhandenen Schlafkomfort sind sie aus meiner Sicht aber zu teuer. Ausgeschlafen morgens am Ziel anzukommen ist halt leider nicht. Im Vergleich dazu kostet eine komplett flexible Fahrt im ICE von München – Hamburg (ohne Bahncard!) knappe 150 €. Für den Preisunterschied zum Nightjet bekommt man noch problemlos eine Hotelübernachtung. Gerade für Geschäftsreisende zudem von Vorteil, im ICE und im Hotel gibt es überall WLAN (naja im ICE halt so etwas in der Art). Im Nightjet ist davon leider keine Spur.
Persönlich muss ich daher festhalten, dass die Vorstellung über Nacht entspannt ans Ziel zu reisen halt nur ein Traum ist. Zukünftig würde ich dann doch die Fahrt am Vortag inkl. Übernachtung vor Ort bevorzugen wenn ich wirklich fit sein möchte (z.B. für berufliche Termine). Wenn es reicht halbwegs fit zu sein bleibt der Nachtzug eine gute Option, dann aber in den einfachen und damit deutlich günstigeren Komfortklassen.
Abzuwarten bleibt, ob sich der Komfort in den Schlafwagen zukünftig erhöhen wird. ÖBB entwickelt gerade die Nightjets der neuen Generation welche noch 2023 auf ersten Stecken eingesetzt werden sollen. Das Designs der Wagen wird dabei komplett überarbeitet und es soll mehr Komfort geben. Eine virtuelle Rundtour in den Wagen bietet die ÖBB online an [externer Link].