Das Reisen mit dem Fahrrad wird immer populärer, sicherlich auch begünstigt durch den Trend der E-Bikes, aber darum soll es hier nicht gehen. Fakt ist, immer mehr Reisende möchten mit dem Rad verreisen oder ihr Rad im Urlaub dabei haben. Dieser Trend beschränkt sich nicht nur auf längere Radreisen, sondern natürlich auch auf Wochenend- oder Tagesausflüge, sei es zum Mountainbiken in die Berge oder für eine Runde um den See. Jeder von Euch der häufiger mit dem Zug fährt dürfte über die letzten Jahre miterlebt haben, wie der Platz zunehmend weniger wird. Einzig bei der Bahn scheint man von diesem Trend wenig mitbekommen zu haben. Diesen Eindruck bekommt man zumindest wenn man die Entscheidungen der letzten Jahre betrachtet. Hierzu mal ein paar Beispiele:
Die neuen ECx-Züge
Obwohl diese vor allem auf touristischen Routen angeboten werden, plant die DB ganze 8 Fahrradstellplätze. Bei 570 Sitzplätzen darf ca. jeder 70 ein Rad dabei haben.
Radmitnahme im ICE-T
Seit kurzem ist es in einigen ICE-T Zügen möglich Fahrräder mitzunehmen, sofern man einen Platz ergattert. Bei nur drei Stellplätzen pro Zug wird das aber schnell schwer und selbst kleine Gruppen können nicht gemeinsam im Zug reisen. Viel ärgerlicher ist aber, dass der ICE-T vor allem auf Strecken eingesetzt wird wo er IC Züge ersetzt. Diese Zügen hatten eine Mehrfaches an Mitnahmemöglichkeiten für Fahrräder. Insgesamt hat die DB auf einigen Routen also die Anzahl an Fahrradplätzen deutlich reduziert.
Verbot von Lastenrädern
Wie Cargobike vor kurzem berichtet hat, hat die Bahn die Beförderungsbedingungen verändert und verbietet nun grundsätzlich die Mitnahme sogenannter „Lastenräder“. Sicherlich gibt es einige Modelle die so groß sind, dass die Mitnahme nicht sinnvoll möglich ist. Anstelle den Weg über maximale Abmessungen zu gehen verbietet die Bahn solche Räder, inkl. schwammigen Formulierungen, gleich ganz.
Mitnahmemöglichkeiten im Nahverkehr
Auch im Nahverkehr gibt es seit Jahren häufig viel zu wenig Platz für die Mitnahme von Fahrrädern, was Konflikte unter den Reisenden natürlich provoziert. Wie häufig erlebe ich das Radchaos in der Werdenfelsbahn (München – Mittenwald) oder der S-Bahn München. Allerdings ist die DB hier nicht allein, auch andere Anbieter wie BOB, Meridian (inzwischen beide BRB) oder der Alex haben auf anderen Strecken (Salzburg, Tegernsee etc.) ständig mit zu wenig Platz zu kämpfen. In anderen Teilen Deutschlands sieht das nur selten besser aus.
Immerhin, bei all den negativen Dingen muss man aber auch klar einen positiven Aspekt hervorheben, der ICE4. Mit 8 Stellplätzen pro Zug gibt es zumindest ein halbwegs angemessenes Platzangebot in einem ICE.
Das große Problem Digitalisierung
Neben den fehlenden Mitnahmemöglichkeiten für Fahrräder ist das größte Problem aber vor allem die fehlende Digitalisierung. Auch im Jahr 2019 muss man bei der DB in vielen Fällen (z.B. Auslandsfahrten) noch persönlich zum Schalter oder aber bei der (teuren) Hotline anrufen (Wartezeit einplanen!) um eine Fahrradkarte zu kaufen. Auf der Webseite der DB kann man nur unter bestimmten Bedingungen Radtickets (und Reservierungen) für Fernverkehrszüge online erwerben. Mit der DB-App kann man grundsätzliche keine Fahrradtickets buchen. Auch reine Nahverkehrstickets (beispielsweise ein Fahrradtagesticket Bayern) lässt sich online nur über viele Umwege buchen.
Dabei zeigt doch u.a. die ÖBB wie gut sich solche Dinge online bzw. mit der App lösen lassen. Das Reservieren von Fahrradstellplätzen auf Auslandsstrecken klappt problemlos mit ein paar Knopfdrücken. Ebenso einfach ist die internationale Fahrradkarte gekauft. Dies ist besonders praktisch, wenn man im Ausland ist und noch eine Radreservierung für die Rückfahrt braucht (z.B. für die EC Züge von Verona/Gardasee nach München). Auch die Westbahn bietet auf ihrer Internetseite komfortable Möglichkeiten Tickets für die Züge zu buchen. Zu hoffen bleibt, dass dies bald auch bei der Bahn endlich möglich ist.
Update 31.8.2020: Nach wie vor hat sich bei der Bahn mit Blick auf bessere digitale Möglichkeiten zur Buchung von Fahrradtickets leider nicht viel getan. Eine aktuelle Nachfrage bei der Bahn auf Twitter zeigt auch, dass leider in kürze keine großen Änderungen zu erwarten sind.
Sehr guter Bericht – traurig aber leider wahr. Und auch im Jahr 2020 kann man bei der DB (noch) keine Fahrradtickets kaufen.
Hallo Torsten! Danke! Ja, in der Tat ist das leider sehr traurig. Ich habe nach Deinem Kommentar nochmal bei der DB nachgefragt; auf absehbarer Zeit scheint es dort auch keine Änderungen zu geben.
https://twitter.com/CycleAEurope/status/1300334472961949697
Genau das triffts! Die DB verschläft die Fahrradisierung! Offenbar wird das gar nicht gewollt, Zielgruppe ist nach wie vor der hippe Jung-Unternehmer mit kleinem Rollköfferchen und großem Kaffee-Durst, alle anderen sind lästiger Beförderungsfall. In einigen Regionen gibt es zwar positive Entwicklungen, die gehen aber oft auf die Forderungen der Verkehrsverbünde zurück: in Brandenburg z.B. in den RE 3 und 5, die vom Süden bis nach Stralsund bzw. Rostock an der Ostsee fahren, gibt es jeweils einen Doppelstock-Wagon, der unten komplett ausgeräumt ist (nur eine Seite Klappsitze) – also für Räder und sonstiges rollendes Gefährt. Zumindest, wenn nicht gerade das knappe Wagenmaterial kaputt ist und ein „Ersatzzug“ fährt. Im MDV-Gebiet (Großraum Leipzig-Halle) ist die Fahrradmitnahme im Zug kostenlos. Das führt bei der DB allerdings dazu, daß sie rigoros das Einsteigen verhindern, wenn ihrer Meinung nach zuviele Räder im Zug sind.. Muß man sich mal vorstellen – du hast ein gültiges, zeitlich begrenztes Ticket und wirst nicht mitgenommen… Für modal split und nachhaltige Verkehrsgestaltung ist die DB in der Praxis ein Hemmschuh. Fahrradkarten für den Nahverkehr kaufe ich übrigends immer am Automaten (wie Fahrscheine auch).